Ulrich, Herzog von Württemberg
‘der Hertzhaffte’, ‘der Vielgeprüfte’, ‘des wunderlichen Heinrich Sohn’
Ulrich ist der schillerndste der Herzöge aus dem Hause Württemberg. Er lebte ein Leben voller Unstetigkeit und Dramatik, er durchlebte die größten Höhen, um dafür in die tiefsten Abgründe zu stürzen. Keiner der württembergischen Regenten vor 1800 hat je derlei große Landgewinne wie Ulrich erzielt und doch schreibt der Esslinger Dionysius Dreytwein anlässlich seines Todes: “Inn anno dominny 1550 denn 8. tag Novembris starb hertzog Ullrich von Wyrttennberg der gros thyrannisirer, der wildenn seuw vatter, ..” Am 8. Februar 1487 wird Ulrich in Reichenweiher (Riquewihr/Elsass) geboren und zunächst auf den Namen Eitel Heinrich getauft. Die Mutter, eine Gräfin von Zweibrücken-Bitsch, stirbt nach 10 Tagen an den Folgen der Geburt. Der Vater, Graf Heinrich, ist bereits merklich geisteskrank und von der Erbfolge in Württemberg ausgeschlossen. Da das Haus Württemberg in seiner männlichen Linie vom Aussterben bedroht ist, wird Ulrich seinem Vater, dem ‘wunderlichen’ Heinrich zwei Wochen nach der Geburt entzogen, von dessen Vetter Herzog Eberhard im Bart an Kindes statt angenommen und bei seiner Firmung auf Ulrich umgetauft.
Ein fettleibig Prinzlein, bis zur Unform an Kopf und Leib fleischig, vor der Zeit reif
Der praktisch als Vollwaise aufwachsende Ulrich wird von Erzieher zu Erzieher herumgereicht, ist aber aufgeweckt, kann etwas Latein, liebt die Instrumentalmusik, singt und komponiert sogar eigene Liebeslieder. Ulrich wird fettleibig und ist frühreif. Man schreibt es der “sitzenden Lebensart” zu, dass er “bis zur Unform an Kopf und Leib fleischig wurde und vor der Zeit reifte.” Vielleicht ist es auch nur der Kummerspeck eines unglücklichen Jungen. Jedenfalls wird Ulrich nach dem Tode seines Pflegevaters 1496 fortan rau behandelt und es herrschte eine “grimme Disziplina.”
Das Fräulein wird besichtigt, die Abrede geschlossen
Im Alter von 11 Jahren wird Ulrich 1498 auf Betreiben Kaiser Maximilians I. mit dessen gerade sechsjähriger Nichte Sabina von Bayern, verlobt. Am 25. September schicken die “Regenten Württembergs” eine Gesandtschaft nach München, um “das Fräulein besichtigen zu lassen und die Abrede zu schließen.” Folgerichtig wird dann am 18.10.1498 in München der Heiratsvertrag unterschrieben dass für Sabina ein Vierteljahr vor der Vermählung 32000 Gulden (fl) nebst Kleinodien und Silber als Heiratsgut zu hinterlegen sind, macht die Braut besonders interessant und den Vertrag so wertvoll.
Viel Lernen macht weibisch, Latein braucht ein Fürst nicht
“Viel Lernen mache weibisch und Latein brauche ein Fürst nicht.” Durch diese Ansicht seiner neuen Erzieher ändern sich Ulrichs Lerninhalte mehr zum Jagen, Reiten und Kriegsführen und das mit Erfolg. Schon als Dreizehnjähriger kann Ulrich sich rühmen, ein Wildschwein mit eigener Hand gefangen zu haben. Die Jagd und das Glücksspiel werden seine Leidenschaften, gelobt wird aber ausdrücklich, dass er sich von der Trunkenheit fernhält.
Er, Maximilian, halte ihn zur Regierung seiner Land und Leut für geschickt
Öfters kommt Ulrich nun an den Hof Kaiser Maximilians und nimmt mit diesem auch am Schweizer Krieg 1499 teil. Maximilian findet Gefallen an dem jungen, rotblonden und nunmehr gut proportionierten Jüngling. Er schätzt dessen ritterliches und beherztes Wesen, zumal es Ulrich mittlerweile auch “versteht einen Hof zu machen” und sich sowohl körperlich als auch geistig als frühreif präsentiert. Die Herzen der meisten Württemberger gaben sich guter Hoffnung hin. Folgerichtig wird Ulrich 1503 im Alter von sechzehn Jahren vom Kaiser für volljährig erklärt und auf einem Reichstag in Freiburg “mit seinen Landen und Regalien” belehnt. Den “Regenten und Räten Württembergs” teilt Maximilian mit, sie sollten Ulrich, wenn er nach Hause komme, die Regierung und Verwaltung seines Fürstentums übergeben. Am 4. Juli 1503, an seinem Namenstag, ist Ulrich wieder in Stuttgart, wo denn auch am 19. Juli ein Landtag die Regierungsübernahme bestätigt und ihm die Landschaft 6000 Gulden schenkt. 1504 nimmt Ulrich als Siebzehnjähriger auf Seiten Herzog Albrechts IV. von München, Kaiser Maximilians, Landgraf Wilhelms von Hessens, des Markgrafen Friedrich von Brandenburg und des Schwäbischen Bundes am Landshuter Erbfolgekrieg teil. Als erfolgreicher Heerführer erzielt Ulrich enorme Landgewinne. Zwar scheitert er bei dem Versuch Bretten zu erobern, aber dafür erhält er die Schirmherrschaft über die Klöster Anhausen, Herbrechtingen und das Kloster Maulbronn mit seinen 32 Dörfern und Höfen, die Ämter Heidenheim, Möckmühl, Neuenstadt und Weinsberg, die Stadt Besigheim, die Grafschaft Löwenstein, das Schloss Stettenfels nebst Gruppenbach die Lehensherrschaft über Gochsheim und fast den gesamten Zehnten von Heilbronn. Hinzu kommt noch die Befreiung Marbachs von der pfälzischen Oberlehensherrschaft.
Körperlich größer als mancher Mann, unweiblich, stolz und eigensinnig, scharf mit der Rede, auch gegen Männer
Sabina von Bayern, die ihm auserwählte Braut, muss sich zu einer wahren Wuchtbrumme entwickelt haben: “Körperlich größer als mancher Mann, unweiblich, stolz und eigensinnig, scharf mit der Rede auch gegen Männer.” Dabei war Ulrich längst in Elisabeth, die Tochter des Markgrafen von Brandenburg, “ein Fräulein von Anmut”, verliebt. Um 1510 hat er seiner Angebetenen sogar ein Liebeslied gedichtet. “Ich schell mein horn ins jammertal” ist ein sentimentales Jagdund Liebeslied, aber auch ein herzliches Bekenntnis: Er muss von seiner Liebe lassen und eine ihm aufgezwungene Braut heimführen. Auch wenn Ulrich alles tut um gegen Sabina abstoßend aufzutreten, bleibt ihm doch letztendlich keine Wahl. Der Verlobungsvertrag ist bindend, zumal hochdotiert und so eröffnet ihm Herzog Wilhelm von Bayern, es sei des Kaisers Wille, dass das Beilager “vor künfter Fasten” vollzogen werde. “So kam er in die Ehe”. Obwohl äußerst unglücklich mit seiner Frau, lässt Ulrich doch die Hochzeit Anfang März 1511 mit größtem Prunk in Stuttgart feiern. Im Jahre 1515 entspringt trotz ständiger Streitigkeiten aus dieser Ehe der Sohn und Nachfolger Christoph, zu dem Ulrich aber nie ein herzliches Verhältnis entwickelt.
Menschlich und politisch ein angeschlagener Mann
Schon bald nach Ulrichs Hochzeit beginnt es auf Grund seiner ruinösen Wirtschaftspolitik zu brodeln und zu gären. Unerhörte Steuern wecken die allgemeine Unzufriedenheit und als das Gewicht zu Gunsten der herzoglichen Kasse verändert wird, kommt es 1514 zum Aufstand der Remstäler Bauern, die sich unter dem Namen “Armer Konrad” zusammenrotten. Um der Lage Herr zu werden, muss sich Ulrich an die Landstände wenden. Nur durch Fürsprache kaiserlicher Gesandten gelingt es ihm, den Landtag zu überreden, ihm Hilfe zu gewähren. Im Tübinger Vertrag am 8. Juli 1514 werden Ulrich die geforderten Geldmittel aber nur unter der Bedingung gewährt, dass die zahlreichen Landesbeschwerden abgeschafft werden, es keine außerordentlichen Steuern mehr gibt, das Einwilligungsrecht der Stände bei einer Kriegserklärung gewährleistet wird und es eine Freiheit der Auswanderung gibt. Mit diesem Vertrag entstand der Grundpfeiler der altwürttembergischen Verfassung. Dem “Armen Konrad” bereitet Ulrich ein schreckliches Ende. In Schorndorf lässt er das Haupt des Jacob Dautel aus Schlechtbach auf den mittleren Turm der Stadt stecken, Häuser werden geplündert und verwüstet, Menschen getötet oder in die Verbannung geschickt. Auch in späteren Jahren wird Ulrich jede Form von Opposition grausam und mit äußerster Härte niederschlagen.
Mord aus Eifersucht und beleidigter Ehre. Ein Werk der Rache ganz nach des Herzogs Naturell
Am 8. Mai 1515 wird Ulrich zum Mörder. Ulrich verliebt sich in die Frau seines Marschalls Hans von Hutten. Er gesteht von Hutten seine Gefühle, doch jener kann dieses sehr intime Geständnis nicht für sich behalten. Ulrich kommen die spöttischen Reden seines Marschalls zu Ohren. Am 7. Mai 1515 übergibt Hans von Hutten bei einem abendlichen Gespräch Ulrich sein Entlassungsgesuch. Ulrich trifft noch keine Entscheidung und will tags darauf nach Stuttgart reiten. Hutten soll ihn begleiten und erscheint in gewöhnlichem Gewand ohne Harnisch und auf leichtem Ross, Ulrich dagegen ist schwer gerüstet. Unterwegs schickt er alle Begleiter voraus, bis er mit von Hutten alleine ist. Hans von Hutten stirbt an 7 Wunden, von denen ihm 5 von hinten zugefügt worden sind. Ulrich schleift den Toden vom Tatort fort, bindet ihm einen Gürtel um den Hals und knüpft diesen an ein Schwert, das er in die Erde rammt. “Die Liebe zu Huttens Gattin war die Veranlassung, aber nicht der Grund dieser schrecklichen Tat. Sie ist vielmehr ein Werk der Rache aus beleidigter Ehre, nach des Herzogs Naturell und nach seinen Begriffen von Fürstenund Menschenrechten geführt.” “Da hat uns der Teufel mit dem Narren beschissen”, diese Worte soll Konrad Vaut, der Vogt von Cannstatt nach Bekanntwerden des Hutten-Mordes in den Landtag gerufen haben. Die Tat des Landesherrn wird zum Politikum und man fordert seine Absetzung. Ulrich selbst findet zunächst daran “nichts Arges”. Erst als er feststellt, dass man planmäßig auf seine Entfernung hinarbeitet, erkennt er den Ernst der Situation. Seine Gattin Sabina flieht mit seinem Erzfeind Dietrich Spät nach Bayern. Am 11. Oktober 1516 erklärt der Kaiser Ulrich in Acht und verlangt für 6 Jahre den Verzicht auf die Regierung und das Verlassen des Landes. Ulrich versucht vergebens seine Bauern aufzuwiegeln und muss schließlich nachgeben. Im Blaubeurer Vertrag erklärt er sich bereit, die Regierung sechs Jahre lang einem von ihm und dem Kaiser eingesetzten Regimentsrat zu überlassen und der Familie Hutten eine Entschädigung zu bezahlen, worauf die Acht aufgehoben wurde.
Ich bin jung und nit alt/ gerade hübsch und wolgestalt,/ groß genug und kein zwerg,/ herzog und henker von Wirtemberg
Schon auf dem Rückweg feiert Ulrich seine wiedergewonnene Freiheit auf seine Weise. Er nimmt das helfensteinische Schloss Hiltenburg ein und plündert und verwüstet einige Schlösser Dietrich Späts, dessen Harnisch er zertrümmern und öffentlich verbrennen lässt. In Stuttgart selbst rächt er sich grausam an den Kritikern, “welche sich am meisten hatten angelegen sein lassen, das Ruder der Regierung in die Hand der Landschaft zu bringen.” Sebastian Breuning und Konrad Vaut werden hingerichtet, der achtzigjährige Vaut gevierteilt, der Greise Konrad Breuning, dem er besonders viel verdankte, wurde, nachdem er “auf Leitern mehrmals auseinandergerissen und gepeinigt” nach einem Jahr entsetzlicher Folterung öffentlich enthauptet. So schaltet Ulrich jegliche Opposition in Württemberg aus. Doch auch das Landvolk hat unter der Grausamkeit des Herzogs zu leiden. Nach einer Hungersnot im Sommer 1517 wandern viele Bauern nach Ungarn aus, anderen versuchen durch Holzdiebstähle oder Wilddiebereien zu überleben. Ihnen lässt Ulrich die Augen ausstechen: “Vil anderen hat man ir gesicht / allain umb wildbret ouch genommen.” Zahlreiche Menschen werden gefangengesetzt und grausam getötet, weil sie angeblich dem Herzog nach dem Leben trachteten. Ulrich führt ein Schreckensregiment, aber trotz aller Schwierigkeiten und Anfeindungen hat er sich als uneingeschränkter Territorialherrscher in Württemberg festgesetzt.
Reutli(n)gen ist unser / der du pist in himeln / Eßlingen wollen wir auch gewinnen
Am 12. Januar 1519 stirbt Kaiser Maximilian und es beginnt eine kurze kaiserlose Zeit der Instabilität, obwohl, unterstützt durch Fugger`sche Bestechungsgelder, bereits nach vier Monaten Maximilians Enkel als Karl V. zum neuen Kaiser gewählt wird. Ulrich, durch Niederlagen und Misserfolge schwer angeschlagen, aus dem Schwäbischen Bund ausgetreten und wegen des Hutten-Mordes noch immer politisch isoliert und gesellschaftlich geächtet, braucht Erfolgserlebnisse. Er wittert in der kaiserlosen Zeit eine Chance und nimmt die Tötung einer seiner Vögte zum Anlass, um die freie Reichsstadt Reutlingen, auf deren Gebiet die Tat vollbracht wurde, einzunehmen. Der Überfall ist absolut rechtswidrig und ungerechtfertigt, doch nach acht Tagen Belagerung, während der fast 700 jeweils 78 Pfund schwere Eisen- und Feuerkugeln gegen die Stadt geschossen werden, gibt Reutlingen auf und muss Ulrich als neuem Herrn huldigen.
Der Herr wurd all seins Leid ergötzt/ Mit Gwalt auch wieder eingesetzt / durch sein Baurn und arm Leut. Später aufgedeckte Angriffspläne auf die Reichsstadt Esslingen zeigen, dass Ulrich den Überfall von langer Hand vorbereitet hat und noch andere Reichsstädte einnehmen wollte. Ulrich versucht weiter aufzurüsten, kann jedoch 12000 Schweizer Söldner aus finanziellen Gründen nicht halten und muss seinen Eroberungszug abbrechen. Inzwischen hat auch der Schwäbische Bund gegen Ulrich mobil gemacht. Dieser zieht sich erst nach Stuttgart, dann nach Tübingen zurück. Stuttgart wird am 7. April besetzt und die Festungen ergeben sich kampflos Herzog Wilhelm von Bayern. Ulrich flieht im Mai außer Landes.
Mancher zog fürs Land hinaus
Schon im August startet Ulrich aber erneut einen Rückeroberungsversuch. Mit einem kleinen Landsknechtsheer überrumpelt er Stuttgart. Auf dem flachen Land huldigen ihm zwar viele Dörfer, aber die Mehrzahl der Städte und Festungen bleibt in der Hand des Schwäbischen Bundes. Ulrich überschätzt seine militärische Macht bei diesem Feldzug völlig. Er begnügt sich nicht damit, sein Erbland wieder einzunehmen, sondern kündigt Esslingen den Krieg an. Er überfällt die Stadt, erbeutet 700 Kühe, verwüstet Sulzgries und etliche Weinberge. Ernsthaften Schaden kann er jedoch nicht anrichten, da er nur über schwache Geschütze verfügt. Der Schwäbische Bund stellt genügend Geld für ein Söldnerheer zur Verfügung und zieht zwischen Hedelfingen und Wangen ein Heer zusammen. Unter dem Befehl seines alten Widersachers Dietrich Spät rückt ein Trupp gegen Hedelfingen und schießt das Dorf zusammen. Die herzoglichen Kampfreserven sind bald erschöpft und am 14. Oktober 1519 bricht Ulrichs Widerstand zusammen, Ulrich selbst flieht noch in derselben Nacht. Gegen Erstattung der Kriegskosten überlässt der Schwäbische Bund Württemberg an Österreich.
Mit Bürgerrecht in der Schweiz
Zunächst gilt Ulrich als verschollen. Man vermutet ihn beim Herzog von Lothringen, in der Pfalz oder in der Schweiz. Schließlich taucht er in Solothurn auf, wo er freundliche Aufnahme findet. Als bekannt wird, dass Württemberg von Österreich übernommen wurde, steigen Ulrichs Sympathien bei den Eidgenossen und er erhält von mehreren Städten das Bürgerrecht. Ulrich verlegt seinen ständigen Aufenthalt nach Mömpelgard, ein zweiter Stützpunkt wird die Feste Hohentwiel. König Franz I. von Frankreich unterstützt Ulrich bei der militärischen Ausstattung der Festung. Schon von der Schweiz aus appellierte Ulrich an den jungen Kaiser, ihm sein Land zurückzugeben. Dieser jedoch verhängt auf dem Wormser Reichstag 1521 erneut die Acht über Ulrich, da dieser sich weigert, trotz Vorladung bei Karl zu erscheinen und sich statt dessen mit dem französischen Reichsfeind Franz eingelassen hat. Damit sind die rechtlichen Möglichkeiten erschöpft, Württemberg zurückzuerhalten
Beschirmer des Evangeliums
Ulrich setzt auf den Faktor Zeit. Er leistet sich in Mömpelgard eine kostspielige Hofhaltung und beherbergt viele Gäste, vor allem solche, die in Opposition zum Kaiser stehen. Schon bald erfährt er von der reformatorischen Bewegung Martin Luthers, die vor allem in Süddeutschland auf offene Zustimmung stößt. Die aus Glaubensgründen vertriebenen Anhänger Luthers finden vorwiegend in der Schweiz Zuflucht. Schon bald entwickelt sich dort unter Zwingli ein eigenständisches Zentrum der Reformation. Ulrich selbst wird ein Anhänger der evangelischen Glaubensrichtung, wobei er wohl eher der Auffassung Zwinglis nahe steht. Das Bedürfnis, “Gottes Reich in seinem Land zu bauen”, bestärkt Ulrich in seinen Bemühungen um die Wiedereroberung seines Landes. Vor allem aus finanziellen Gründen scheitern seine diesbezüglichen Versuche. Dann gewinnt er jedoch die Unterstützung des lutherischen Landgrafen Philipps von Hessen, bei dem er von 1526-1534 Gastrecht genießt.
Vom Einkommen herzog Ulrichs von Wirtemberg und Teck. Anno 1534. Im maien
In Württemberg stößt die habsburgische Herrschaft mehr und mehr auf Widerstand, da die Regierung zwar wirtschaftlich erfolgreich ist, sich aber strikt gegen die “lutherischen sect” und die “zwinglisch, oecolampadisch und dergleichen frembd ketzerisch leeren” stellt. 1531 wird der evangelische Schmalkaldische Bund gegründet, während der Schwäbische Bund 1534 nicht mehr verlängert wird. Die Reichsstädte Esslingen, Reutlingen, Heilbronn und Ulm sind protestantisch geworden und hoffen auf einen ebenfalls protestantischen Herrn für Württemberg. Philipp von Hessen bringt in dieser Situation geschickt Ulrich ins Spiel. Am 12. Mai 1534 greift Philipp mit einem hochmodern ausgerüsteten Heer Württemberg an und schon am 15. Mai kann Ulrich wieder in Stuttgart einziehen, muss “sein” Württemberg aber als österreichisches Afterlehen akzeptieren. Auf Drängen Philipps tritt Herzog Ulrich 1536 dem Schmalkaldischen Bund bei, den er jedoch in seinen Beschlüssen weitgehendst ignoriert.
…keiner ergriff mit solcher Hast das zeitliche Gut der Kirche…
Während sich sein Verhältnis zum Kaiserhaus entspannt, geht der neue alte Herzog nun daran, die Reformation in Württemberg einzuleiten und aus dem katholischen Herzogtum ein evangelisches Land zu machen und das zum Teil auch mit Brachialgewalt. Innerhalb kurzer Zeit werden die Klöster beschlagnahmt, besetzt oder geschleift. Die Kirchenkleinodien werden hastig auf Karren geworfen und mit den anderen Kunstwerken, Silber und Gold zur herzoglichen Rentkasse gefahren. “Kein protestantischer Fürst ließ gegen einzelne Widerspenstige so gewalttätig verfahren, wie der Herzog von Württemberg und keiner ergriff mit solcher Hast das zeitliche Gut der Kirche als der Herzog zu Württemberg,” schrieb der evangelische Stadtpfarrer Dr. Heyd von Markgröningen über Ulrich, der täglich die Predigt hört, alle Tage ein Stück in der Bibel liest und der darauf besteht, dass auf dem Ärmel jeder Hoflivree die Buchstaben VDMIAE (Verbum Domini Manet In Aeternum = Gottes Wort bleibt ewig ) eingenäht sind.
Fußfall vor dem Kaiser
Als Mitglied des Schmalkaldischen Bundes beteiligt sich Ulrich 1541/42 am Krieg gegen Herzog Heinrich von Braunschweig und bricht somit seinen Lehensvertrag mit Österreich. Trotz mehrerer Religionsgespräche kommt es zu keiner Einigung zwischen den Päpstlichen und den Protestanten in Deutschland. Nach der Niederlage des schmalkaldischprotestantischen Heeres 1546 besetzt der Herzog von Alba Württemberg mit kaiserlichen Truppen und zwingt Ulrich zur Flucht. Vom Hohentwiel aus verhandelt Ulrich mit dem Kaiser. Als Ergebnis muss sich der nun fast 60 jährige und schwer gichtkranke Herzog am 4.März 1547 in Ulm demütig Kaiser Karl V., der ja sein Lehensherr ist, unterwerfen, um sein Herzogtum zu retten.
“Inn anno dominny 1550 denn 8. tag Novembris starb hertzog Ullrich von Wyrttennberg der gros thyrannisirer, der wildenn seuw vatter, …”
1550 ist Ulrich wegen des Bruchs seines Lehensvertrages erneut von einem kaiserlichen Gerichtsverfahren bedroht. Ulrich zieht sich mehr und mehr zurück, vereinsamt und lässt seine Ratgeber und Hofräte oft wochenlang nicht zu sich. Nach einem Aufenthalt in Wildbad überfällt ihn in Böblingen ein heftiges Fieber, von dem er sich nicht mehr erholt. Außer seinen Ärzten, dem Kammerdiener und dem Barbier lässt er niemanden zu sich, auch nicht seinen eilends herbeigeholten Sohn. “Am Morgen des 6. November zwischen 5 und 6 Uhr vollendet Ulrich von Württemberg sein irdisches Dasein nach 63 Jahren, 8 Monaten und 26 Tagen.” Sein Tod wird geheim gehalten, bis sein Sohn Christoph eingetroffen ist. Am 7. November 1550 wird Herzog Ulrich auf seinen besonderen Wunsch hin neben Eberhard im Bart in der Tübinger Stiftskirche bestattet.
Quellen
- Gerhard Raff: Hie gut Wirtemberg allewege, Stuttgart 1988
- Karl Völter (Hrsg.): Württemberg und seine Herren, Esslingen 1988
- Robert Uhland: 900 Jahre Haus Württemberg, Stuttgart o. J.
- Christoph Friedrich von Stälin: Württembergische Geschichte, Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1873
Marion Brunner, Klaus Huss