Das württembergische Heer vor Bretten 1504
In seiner Abhandlung über die “Belegerung Brettens anno 1504” beschreibt Georg Schwartzerdt den Aufmarsch des württembergischen Heeres: “In disem … iar … rustet er sich (gemeint ist Herzog Ulrich von Württemberg) also baldt zum krieg, bracht die besten seiner landsassen, so zu der wehr dauglich … sampt einer grossen summa freyer knecht, die er besoldet, zu hauff, rustet sich mit solchen zu roß und fuß mit geschutz, proviant und aller kriegs rustung und munition, so zu dero gleichen heerzüg gehört… … Also zohe er mit seinem heer, die zue roß und fuß von den glaubwurdigen erfarenden über dreissig tausent geachtet … " Ausgehend von dieser Quelle wollen wir exemplarisch darstellen, welche Mengen und Massen notwendig waren, um ein Heer dieser Stärke aufzustellen und zu unterhalten.
Sie zogen in das Feld…
20.000 Schwaben auf dem Weg in die Kurpfalz
Das Heer
Die Zahlen über die Stärke des württembergischen Angriffsheeres variieren und so beziehen wir uns auf Stälin, dessen Angaben eher im unteren Bereich liegen. Das Heer Ulrichs bestand demnach aus ca. 20.000 Mann, darunter 6.000 Büchsenschützen und 10.000 Mann Landesaufgebot. Die Reiterei war um die 1.500 “Reisige” stark. Geht man davon aus, dass jeder Reiter mindestens zwei Pferde besaß, kommt man allein bei dieser Waffengattung auf über 3.000 Tiere. Außerdem verfügte Ulrich über einen Geschützpark, dessen schwerste Geschütze die “Rose”, die “Wurfel” und das “Ketterlin” aus Ulm waren. Die Wurfel wog 6.336 Pfund (bei 350 – 400 g das Pfund sind das weit über 2 Tonnen), war 11 Schuh lang (entspricht über 3 Meter), schoss einen Stein von 161 Pfund (mehr als einen Zentner) und war mit 350 Steinen versehen. Sie wurde auf einem großen “Büchsenwagen” transportiert, der mit 14 Pferden bespannt war und hatte zur Bedienung 100 Mann, darunter 8 Zimmerleute und 4 Steinmetze. Weiterhin gehörtem zum Heer 2.073 Wagen, womit die Relation bestätigt wird, wonach auf 10 Fußknechte ein Trosswagen zu rechnen ist. Im württembergischen Aufgebot der von den weltlichen Ämtern und Klöstern zu stellenden Reißwagen um 1515/20 geht man allein von 378 dieser Reißwagen aus, die ganz bestimmten Geschützen zugeordnet sind. Da diese Wagen mit jeweils 4 Pferden bespannt waren, ergab dies nicht weniger als 1.512 Zugpferde nur zum Transport der Artillerie, bzw. über 8.000 Zugtiere für den gesamten Fuhrpark. Zusammen mit der Reiterei umfasste der Heerzug demnach weit mehr als 11.000 Tiere, teils Pferde, teils aber auch Ochsen, die allerdings um einiges kleiner und schwächer als die heutigen Ochsen waren und in Bezug auf die Zugkraft mit den Kaltblutpferden nicht konkurrieren konnten. Allein der Wagentross hätte bei nur 10 Meter Länge pro Gespann (Wagen plus 4 Pferde plus Abstand zum Vordermann) eine Gesamtlänge von über 20 Kilometern erreicht, bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von maximal 30 Kilometern je Tag. Natürlich befanden sich in diesem Heer nicht nur waffentragende Männer, sondern wie wir am Beispiel der “Wurfel” gesehen haben, gab es fasst jede Form von Handwerker, zu dem jede Menge Ross- bzw. Wagenknechte, die die Wagen lenkten und als Beireiter auf den Zugpferden saßen. Die wichtigsten vertretenen Handwerksberufe waren Zimmerleute, Steinmetze, Wagner, Sattler, Schreiner, Seiler, Korbflechter, Küfer, Schneider, Schuster, Waffen- und Hufschmiede, Plattner, Büchsenmacher, Pulvermacher, Metzger, Bäcker, Brauer, Sudler, Barbiere, Bader,…Nach Würdinger waren die Belagerer in 250 Zelten und 2.000 Hütten untergebracht, zusätzlich zu der schon erwähnten Wagenburg aus 2.073 Wagen im Norden Brettens. Im Ganzen findet man also die komplette Versorgungsstruktur, der es bedurfte, um eine europäische Großstadt am Funktionieren zu halten.
Der Nachschub

Suff und Fraß

Das Angebot
In seinem Kriegsbuch listet Fronsperger einen Großteil des üblichen Warenangebots auf, wonach auch damals grundsätzlich alles gegessen wurde, was das Land und der Markt zu bieten hatte, wobei aber die Vielfalt an verwertbaren Kulturpflanzen weitaus geringer war als heute. Es gab:
Schweinefleisch | Schmalz | Käse | Eier | Erbsen |
Schweinespeck | Butter | Linsen | ||
Rindfleisch | Öl | Bohnen | ||
Ziegenfleisch | ||||
Schaffleisch | ||||
Hühner | ||||
Gänse | ||||
Fisch |
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Hafer | Salz | Kraut | Wein |
Gerste | Ingwer | Rüben | Bier (+Hopfen) |
Roggen | Zimt | Zwiebel | Milch |
Weizen | Muskat | Knoblauch | |
Safran | Kräuter |
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Außerdem wurde auf dem Markt gehandelt: Tuche, Leinwand, Leder, Eisen/Stahl, Kohle, Holz sowie alle Kleinteile des täglichen Bedarfs von Geschirr über Nähbedarf zu Seife und Waffen. Natürlich gab es auch ein “Unterhaltungs- und Gesundheitsangebot” von Spielleuten, Gauklern, Huren, Badern, Barbieren, Feldschern, Sudlern, usw.
Die Mengen


Die Aufbereitung

Dem einen bringt das Schicksal viel…
Ein Leben als Landsknecht im Feld
Herkunft
In den Anfängen des Landsknechtswesens war es vorzugsweise der Mittelstand aus Stadt und Dorf, der Kriegsdienste annahm. Doch recht schnell traten neben den Handwerkern und Bauern auch Patriziersöhne und Adlige in den Kriegsdienst zu Fuß ein – eine Entwicklung, die besonders von Kaiser Maximilian gefördert wurde.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war man bei der Anwerbung von Landsknechten noch recht wählerisch, da grundsätzlich nur Freie genommen wurden, die ihre Ausrüstung und Bewaffnung selbst stellen mussten. Hauptrekrutierungsgebiete waren Oberschwaben, das Elsaß und die Schweiz.

Bewaffnung

Besoldung
Einheitlich und durchgehend über mehrere Jahrzehnte hinweg wird als Grundgehalt eines einfachen Landsknechtes der Betrag von 4 Gulden genannt. Dieser Betrag stellte für den Beginn des 16. Jahrhunderts ein relativ hohes Einkommen dar, zumal zur Bestreitung des Lebensunterhaltes monatlich nur ca. 2,5-3 Gulden nötig waren. Ein Doppelsöldner mit 8 Gulden oder gar ein Hauptmann mit 40 Gulden Monatslohn war unter diesen Bedingungen glänzend gestellt, vorbehaltlich natürlich, er hatte überhaupt eine Anstellung. Geht man von den bekannten Zahlen für Ulrichs Heer aus, so kommt man auf folgende Beträge pro Monat:
Einfache Söldner (5/8 entspricht 12 500 Mann, einfach) | = 50.000 Gulden |
Doppelsöldner (3/8 entspricht 7 500 Mann, zweifach) | = 60.000 Gulden |
Reiterei (1 500 Mann, dreifach) | = 18.000 Gulden |
Stabsoffiziere, Offiziere, sonstige | = 10.000 Gulden |
insgesamt 138.000 Gulden |
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…dem andern Müh’ und Plage
Von Märkten, Händlern und Marketenderinnen
Das Landsknechtsregiment war weitgehend auf die Verproviantierung durch Händler angewiesen. Zwar gab es zunächst eine Schätzung des Proviantbedarfs durch den Kriegsherrn, aber es folgte darauf nicht die Gesamtversorgung der Truppen, sondern es überwog der private Einkauf des einzelnen Mannes an den Buden und Ständen der Händler. Um eine möglichst große Zahl solcher Händler an den Lagermarkt zu ziehen, stellte der Kriegsherr besondere Geleit- und Schutzgarantien aus, die sowohl für den Aufenthalt im Lager als auch für die An- und Abreise galten. Als besonderes Marktzeichen fungierte oft der zentral aufgestellte Galgen
Der Profos

Der Hurenweibel
Zu einem starken Landsknechtsaufgebot gehörte stets ein entsprechend großer Tross. Das Verhältnis zwischen Militärpersonen und Angehörigen des Trosses betrug in der Regel 1:1. Geführt wurde der Tross von einem in Kriegsgeschäften erfahrenen, älteren Weibel im Hauptmannsrang mit zehnfachem Sold, dem ein eigener Stab aus Leutnant, Fähnrich und Schreiber unterstand. Die Aufgabenstellungen für den Tross und seinen Befehlshaber waren vielfältig:
Er garantierte in Absprache mit dem Profos den Händlern Sicherheit für Leib und Gut und den Kriegsleuten Schutz vor überhöhten Preisen und Betrug.

Als Taktiker war der Trossweibel gefragt, wenn es darum ging, durch die Bewegungen des Trosses eine Schlacht nicht zu stören, bzw. die eigenen Truppen zu behindern. Andererseits konnte durch eine geschickte Aufstellung und Führung des Trosses der Feind irritiert werden, wenn er den Tross fälschlicher Weise für Ersatztruppen hielt.
Als Zugordner musste der Weibel darauf achten, dass der Tross “in guter Ordnung bleib” und den Knechten und Reitern stets genügend Platz in der Zugordnung freigehalten wurde.
Zum Schutz des Trosses musste der Weibel ihn zur befestigten Wagenburg ausbauen lassen können.
Innerhalb des Trosses unterstanden ihm alle “Huren und Buben”. Während des Zuges sollten diese keinesfalls die Ordnung des Haufens stören, sondern hinten im Tross bleiben. Auch beim Lageraufbau musste der Tross warten, bis die Knechte ihr Lager bezogen hatten, weil befürchtet wurde, dass der Tross ansonsten Holz, Heu, Stroh,… , was für die Truppe notwendig war, “aufräumen” (d.h. wegstehlen) würde. Um Streit zu vermeiden und zu schlichten, unterstand dem Hurenweibel ein “Rumormeister” (=Lagerbüttel), ausgestattet mit einem armlangen Knüppel, dem sogenannten “Vergleicher”, mit “dem er Gewalt hat zu strafen”, was auch häufig und ausgiebig geschah.
Die Marketenderei / die Marketenderin
Wie bereits ausgeführt, waren in den Heeren des 16. Jh. der Tross und die Kampfgruppen zahlenmäßig etwa gleich groß. Aufgaben des Trosses war die Verpflegung und Versorgung der Landsknechte. Er bot diesen die Möglichkeiten zum Kauf, Verkauf und Tausch, er war Ort für Freizeit und Privatleben, er übernahm den Sanitätsdienst, war Verbandsplatz und Lazarett. Er hatte sanitäre und sogar militärische Aufgaben und lieferte schließlich einen Teil der künftigen Knechte. Zum Tross gehörten alle elementaren Berufe einer Stadtgemeinschaft einschließlich des Marketenders und der Marketenderin, aus dem Italienischen: mercatante = Händlerin. Die Marketenderin war Ehefrau, Helferin, Magd, Krankenschwester und oft natürlich auch Prostituierte. Meist aus einfachsten Verhältnissen stammend, gab es auch unter ihnen große Unterschiede je nach Aussehen, Alter, Besitz und wie sie ihn anlegten. Nachwuchs kam sehr oft aus den eigenen Reihen, aus dem Dirnenmilieu der Städte mit ihren Frauenhäusern und über mitgenommene Bauersmägde aus geplünderten Dörfern und Höfen. Die Marketenderin war vorrangig nicht bloß eine Soldatendirne, sondern zusammen mit den sogenannten Trossbuben eine Hilfskraft, die dem Landsknecht seine momentan entbehrlichen Waffen und sein Kochgeschirr nachtrug, die für seinen Unterhalt sorgte, ihm beim Zeltbau und Lagermachen half, sich beim Beutemachen und Beutewegschleppen beteiligte, die ihn bei Krankheit und Verwundung pflegte, die für ihn kochte und nähte. Die Rolle der reinen Geschlechtsbefriedigung trat gegenüber solchen Zwecken der Marketenderin weit in den Hintergrund. In ihrer Kriegsordnung von 1524 schlugen Michael Ott und Jacob Preuß aber ausdrücklich vor, dass im Tross auch Frauen sein müssten, die “yedermann weyb” sein sollen. Diese “gemain” = Gemeine = Dirne sollte besonders geschützt, außerdem zusätzlich vertraglich besoldet werden und nur als reine Hure arbeiten. Man versuchte so, die reichlich vorhandene Prostitution einerseits zu institutionalisieren und andererseits nur Frauen im Tross zuzulassen, die Eheweiber der Landsknechte waren. Daraus ergaben sich oft sogenannte “Maienehen” – “Im Meyen gehen hurn und bueben zu kirchen … Im Winter so sie weder hauß noch hoff haben, lauffet eins hie das andre dort hinauß”. Grundsätzlich war die Landsknechtsliebe eine äußerst zerbrechliche Angelegenheit.
Um so bemerkenswerter ist es, dass das Frauenbild der Landsknechte in ihren Liedern, Gedichten und Bildern in aller Regel ein ausgesprochen positives war, was sich in Ausdrücken wie “wacker Mägdlein, Frau Wirtin, schönen Fraw, Feinstlieb” etc. ausdrückte. Obwohl sie als Zivilistinnen unter Söldnerrecht standen, in die Organisations- und Befehlsstruktur der Landsknechtsregimenter eingebunden waren und einen eigenen Trossführer, dem Hurenweibel, unterstanden, war es gerade die Aussicht auf ein ungezwungeneres, von gesellschaftlichen Zwängen freieres Leben, das die Marketenderinnen zum Landsknechtsheer zog. Hier war das Leben zwar gefährlicher wegen der Kämpfe und Seuchen, aber auch lustiger, aufregender und im Glücksfall ertragreicher als in der Stadt oder auf dem Bauernhof. Die ökonomischen Aussichten waren dabei auf lange Sicht nicht besonders rosig. Da Kriegszüge stets zeitlich begrenzt waren, gab es regelmäßig erwerbslose Zeiten, die zum Teil durch Straßenstrich überbrückt wurden, wobei ca. 2 Verkehre pro Tag das Überleben sichern konnten und “Frau” dadurch mindestens den Standard einer Wäscherin erreichte. Eine Wiedereingliederung in die enge Ständegesellschaft war für eine solche Person nahezu unmöglich. Sie blieb Angehörige einer Randgruppe, war weitestgehend rechtlos und lebte zwischen Abscheu, Verachtung und Begierde.
Quellen
- Baumann, Reinhard: Landsknechte, München, 1994
- Fronsperger, Leonhard: Von kayserlichem Kriegsrechten, Frankfurt, 1566 Reproduktion und Druck Graz, 1970
- Huber, Konstantin u. Staps, Jürgen (Hrsg.): Die Musterlisten des württembergischen Amtes Maulbronn 1523 – 1608, Pforzheim, 1999
- Krug-Richter, Barbara: Alltag und Fest, in: Haushalt und Familie, hrsg. Von Trude Ehlert, Siegmaringen 1991
- Martens, Karl von: Geschichte des Königreichs Württemberg, Guttenberg, 1847
- Möller, Hans-Michael: Das Regiment der Landsknechte, Wiesbaden, 1976
- Schäfer, Alfons (Bearb.): Urkunden, Rechtsquellen und Chroniken zur Geschichte der Stadt Bretten, Bretten, 1967
- Stälin, Christoph Friedrich von: Württembergische Geschichte, Teil 4, Stuttgart, 1873
- Würdinger, J. (Bearb.): Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pfalz und Schwaben von 1347 – 1506, München, 1868
Klaus Huss, Herrmann Füllbert
Dieser Text erschien erstmals im Mai 2001 in der Ausstellung “Versorgung und Entsorgung” der Sparkasse Kraichgau und im gleichnamigen Katalog. Euch wird aufgefallen sein, dass die Bilder hier nicht von bester Qualität sind. Das liegt daran, dass sie teilweise von Kopien von Kopien gescannt wurden.