Befehlsleut’ & Gemeine Knecht

zu den Befehlsstrukturen in den Landsknechtsheeren

Nach einem Vortrag von Dr. phil Reinhard Baumann im Sitzungsaal des alten Rathauses, Bretten

1514 lag Maximilian I. (1459-1519) mit der Republik Venedig im Krieg. Die Auseinandersetzung zwischen dem Reich bzw. den Habsburgern und der Markusrepublik dauerte bereits sieben Jahre, ohne dass es einer der beiden Seiten gelungen wäre, den Gegner entscheidend zu besiegen. Auch dümpelten die Kampfhandlungen im Sommer 1514 mehr oder minder vor sich hin. Zwar gab es Kämpfe – und wurden die Gebiete des Gegners verheert – doch entscheidende Schlachten fanden nicht statt. Folglich nutzten die Kontrahenten die Zeit, um neue Truppen auszuheben.

Am 10. September 1514 fand in Montagnana – etwa 15 Kilometer von Padua gelegen - eine Musterung von rund 1.500 Kriegsknechten statt, die für den Kaiser in den Kampf ziehen sollten. Zum Glück blieben die damals angelegten Musterlisten erhalten, womit sich eine exquisite Quelle ergab, die uns unter anderem Einblick in die Befehlsstrukturen der Landsknechte Anfang des 16. Jahrhunderts geben kann.

So geht aus diesen Listen hervor, dass nicht nur deutsche Knechte dem Ruf über die Alpen gefolgt waren, sondern auch italienische Doppelsöldner. Fast könnte man von einem Völkergemisch sprechen, fanden sich doch weiterhin auch Slowaken, Kroaten oder Niederländer in Montagnana ein. Die Mehrheit war indes aus Deutschland – und vor allem aus dem klassischen süddeutschen Werbegebiet angereist. Ein Schwerpunkt lag auch in den Alpengebieten bzw. Tirol.

An der Spitze jener Männer, die am 10. September gemustert und in die Soldlisten eingetragen wurden, stand Georg von Frundsberg (1473-1528), der zu Recht als ‘Vater der Landsknechte’ bezeichnet werden kann. Neben diesem Landsknechtsführer ist ein weiterer Befehlsgeber überliefert. Die Leitung des Unternehmens scheint jedoch vor allem bei Frundsberg gelegen zu haben, der immerhin 244 rheinische Gulden je Monat erhielt, von denen er freilich selbst seine privaten Dienstleute bezahlen musste. Direkt dahinter in der Rangfolge kamen zehn Hauptleute, von denen zwei den anderen wohl übergeordnet waren. Dies war jedoch nicht direkt festgelegt, sondern geht aus der Höhe des jeweiligen Soldes hervor, der entsprechend Verantwortung und Tätigkeit festgesetzt wurde. Ein direktes Stellvertreteramt zwischen den Hauptleuten gab es nicht.

Die insgesamt acht Fähnlein, die zwischen 168 und 196 Knechte umfaßten, wurden von den Fähnleinführern befehligt, die untereinander gleich gestellt waren. Jedem dieser Fähnleinführer war beispielsweise ein Schreiber oder ein Kaplan – der vor allem die Moral der Knechte stärken sollte – beigeordnet. Dabei muss beachtet werden, dass die Fahne das einzig sichtbare Zeichen war, an dem sich die Knechte orientieren konnten. Wichtigstes Instrument der Befehlsübermittlung war indes das ‘Spiel’, das aus einem Trommler und einem Pfeifer bestand. Bestimmte Melodien oder Signale waren den Knechten bekannt.

Das Recht im Regiment wurde vom Schultheiß (und seinem Staat) repräsentiert. Die ausübende Gewalt oblag dem Profoß (und seinem Staat). Frundsberg achtete indes sehr auf Disziplin – der Profoß hatte stets unerbittlich durchzugreifen. Einen Henker gab es jedoch nicht. Wohl sollten verurteilte Verbrecher anderweitig hingerichtet werden. Über das ‘Recht der langen Spieße’ (eine besondere Form der Eigengerichtsbarkeit) in der Friaul – Armee ist nichts bekannt. Ein weiteres wichtiges Amt hatte der Feldweibel inne, der für Zug, Schlachtordnung und Drill zuständig war. Dieses Amt war nur einfach besetzt – für 1.500 Mann! Der Hurenweibel hatte hingegen die Verantwortung für den Tross, den es ebenfalls im Zaum zu halten galt. Alle Funktionsämter waren mit Kurzwaffen ausgerüstet.

Zwischen den ‘oberen’ Ämtern und der Gemein standen die von den Knechten beschickten Gemeinämter, die auch als deren Interessenvertretung zu handeln hatten. Hier könnte man z.B. den Gerichtsmann nennen, der bei Gericht saß und dafür sorgen sollte, dass Urteile auch die Sichtweise der Gemein berücksichtigten, oder den Furier, der angemessene Unterkünfte zu organisieren hatte. Grundsätzlich erhielten die Gemeinämter Doppelsold und sollten Schikanen gegenüber den Knechten vermeiden helfen.

Die Gemeinämter wurden auch von Frundsberg hoch eingeschätzt, wobei die Inhaber ständig zwischen der Loyalität zu ihren Standesgenossen – den Knechten – und der Verantwortung gegenüber den Obristen agieren mussten. Denn nicht nur Frundsberg bemühte sich, die Gemeinämter in die ‘gehobene Hierarchie’ zu ziehen, um den engen Kontakt mit den einfachen Knechten zu minimieren. Macht korrumpierte wohl schon vor 500 Jahren.

Folglich könnte man die Gemeinämter aber auch als eine Art Karrieresprungbrett für Kriegsknechte sehen, die solcherart eine Aufstiegschance hatten. Die Abstammung aus Adel oder Patrizierfamilien war zumindest in diesen Jahren weit weniger wichtig für einen Aufstieg in der Befehlskette als das Talent. So diente beispielsweise selbst Frundsbergs eigener Neffe als normaler Knecht für vier Gulden im Monat – eine Sonderbehandlung kam also nicht vor. Dass es trotzdem zu Absprachen gekommen sein kann, liegt jedoch auf der Hand – vor allem in späteren Jahren, als den unteren Ständen die Führungspositionen immer mehr verwehrt blieben, und die adlige Herkunft immer stärker ins Spiel kam.

Letztlich machte Dr. Reinhard Baumann in seinem sehr gelungenen Vortrag aber auch deutlich, wie variabel die Befehlsstrukturen gerade in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts noch waren. Das Beispiel der Friaul – Armee gibt zwar einen guten Einblick in die Gegebenheiten von 1514 – lässt sich jedoch nicht zwangsläufig verallgemeinern. Zu sehr hingen Strukturen noch von den Gewohnheiten der Kriegsherren ab. Erst spätere Armeen entwickelten eine statische Befehlshierarchie, wie sie den Landsknechten noch weitgehend fremd war.


Dr. phil. Reinhard Baumann \

Text: Heiko P. Wacker
Bilder: Heiko P. Wacker, Michael Gessat