Leonhard Müntzer: Ein dichtender Kämmerer der Frühen Neuzeit in Amberg

Manfred Knedlik

Wenn eine Stadt wie Bretten „ihre Geschichte lebt“, dann zeigt sich das in vielen Facetten, dann wird das 16. Jahrhundert in mancherlei Hinsicht lebendig. Möglich wird eine authentische Darstellung jedoch erst durch profundes Wissen – und damit ist längst nicht nur das Kriegshandwerk gemeint. Immerhin war die Frühe Neuzeit auch geprägt von religiösen Umwälzungen, die der Reformation in der Kurpfalz, und damit auch in Bretten, die Bahn brachen. Und damit wären wir bei der vorliegenden Edition – auch wenn diese aus dem späteren 16. Jahrhundert und zudem aus Amberg berichtet, das aber als geistiges Zentrum der „Oberen Pfalz“ in seiner Wirkung für den deutschen Süden und Südwesten durchaus relevant war. Zudem haben wir hier ein gutes Beispiel für die geistige Entwicklung innerhalb der pfälzischen Gebiete: Im Zeitalter von Humanismus und Reformation erwarb sich die damalige oberpfälzische Haupt- und Regierungsstadt rasch einen Namen. Schule, Bildung, Kunst, Musik, Theater, Historiografie und Buchdruck erlebten, gefördert von der städtischen Führungsschicht, einen beachtlichen Aufschwung. Greifbar wird dieser auch an einer eher ungewöhnlichen Stelle – in den Amtsrechnungen der Stadtkammer nämlich und den Aufzeichnungen des „Gemeinen Almosens“: Hier hat sich das literarische Werk des langjährigen Ratsherrn und Kämmerers Leonhard Müntzer (1538–1588) erhalten, der über zwei Jahrzehnte hinweg seine „poetischen Nebenstunden“ hinterließ. Geistliche Lyrik, Sinnsprüche, Gebete, Lieder wie auch politische Gedichte geben Einblick in den der Reformation verpflichteten „Kulturbetrieb“ jener Zeit. Allerdings schlummerte das „literarische Beiwerk“ des begabten Kämmerers bislang als handschriftliche Quelle in den Archiven – der vorliegende Band bietet nun erstmals eine Edition der Texte, wobei ausführliche Stellenkommentare den Zugang erleichtern. Trotzdem darf der Leser hier keine leichte Lektüre für müßige Stunden erwarten, wurden doch die Texte weitestgehend im eher willkürlichen Stil jener Zeit belassen, um sie für sprachwissenschaftliche Untersuchungen verwendbar zu machen – wie es eben einer Edition zusteht, die keine kulturwissenschaftliche Analyse bieten, sondern lediglich eine schwer greifbare Quelle erschließen soll, die deutlich zeigt, wie wichtig das protestantische Selbstverständnis in den pfälzischen Landen jener Zeit war. Auch das ist nämlich Teil der Geschichte: Auch in Bretten.

Manfred Knedlik: Leonhard Müntzer: Ein dichtender Kämmerer der Frühen Neuzeit in Amberg. Eine Edition. Pustet Verlag Regensburg 2013, 239 Seiten, fester Einband, 22 x 17 cm, 10 s/w- und 16 Farbabbildungen, ISBN 978-3-7917-2528-4, 26,95 Euro.

Autor: Heiko P. Wacker