Hans von Gersdorffs Feldbuch der Wundarznei

Produktion, Präsentation und Rezeption von Wissen

Melanie Panse

Auch wegen seiner zahlreichen Abbildungen bietet das „Feldbuch der Wundarznei“ des Straßburger Wundarztes Hans von Gersdorff - das 1517 erstmals erschien und bis ins 17. Jahrhundert Verbreitung fand - wunderbare Einblicke in die europäische Wissenskultur an der Gezeitenschwelle um das Jahr 1500. Als das Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit wurde.

Das “Feldbuch” fand zudem in ganz Europa Verbreitung, was sich auch der Qualität des Werks verdankt: Gersdorff gibt selbst an, “in den burgundischen Kriegen zum Wundarzt und Feldscher ausgebildet worden zu sein”, wie Melanie Panse schreibt, die sich im Rahmen ihrer Dissertation mit dem Feldbuch beschäftigt hat.

Das vorliegende Buch, das in der Reihe “Trierer Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften” erschien, ist denn auch kein Nachdruck des Originals, sondern eine wissenschaftlich fundierte Studie, die das „Feldbuch“ in historisch-vergleichender Perspektive untersucht. Entsprechend widmet sich die Autorin auch der Frage, wie Wissen in jener Zeit gewonnen, produziert und weitergegeben wurde – das „Feldbuch der Wundarznei“ wird dadurch geradezu zu einem „Vehikel“ für eine Reise in die europäische Wissenskultur an der Epochenschwelle.

Interessant ist auch, wer sich das Feldbuch, das lange Zeit als grundlegendes Werk der europäischen Chirurgie Verwendung fand, anschaffte. Auch dieser Frage widmet sich die Autorin, die darlegen konnte, dass das Werk bis ins 17. Jahrhundert eine breite Leserschaft fand, die selbstverständlich Wundärzte und Gelehrte umfasste, aber auch hochrangige Bürger, Adelige sowie Fürsten.

Auch Ottheinrich, als Kurfürst ab 1556 Landesherr auch der Brettener Bevölkerung, hatte eine Ausgabe von 1540 in seinem Bestand. Gebunden in feines Leder natürlich, und versehen mit seinem Wappen und seinem Monogramm – auch wenn der massige Fürst wohl kaum selbst einen Aderlass vorgenommen oder eine Arznei angemischt haben dürfte. Für ihn war das Buch mehr ein Sammlerobjekt. Gleichwohl hätte er bei Hans von Gersdorff nachschlagen können, wie das mit dem Aderlass so funktioniert…

Melanie Panse gelingt es ausgezeichnet, das Feldbuch in der Zeit zu verankern – um so auch zu zeigen, wie an der Schwelle zur Neuzeit mit Wissen an sich umgegangen wurde. Dass sie dabei eine gewisse medizinische Vorbildung ihrer Leser voraussetzt, sei nicht unterschlagen. Gleichwohl bietet die Autorin einen mehr als profunden Zugang zu einer Zeit, in der der Feldscher verwundete Knechte zu versorgen hatte, die ergeben und mit blanker Brust auf dem Dreibein sitzen …

Melanie Panse: Hans von Gersdorffs „Feldbuch der Wundarznei“. Produktion, Präsentation und Rezeption von Wissen. Reichert Verlag Wiesbaden 2012, 360 Seiten, Leinen, 65 sw-Abb. auf 63 Tafeln. Erschienen in der Reihe: Trierer Beiträge zu den Historischen Kulturwissenschaften, Band 7, ISBN 978-3-89500-907-5, 59 Euro.

Die Abbildung „Schussverletzung“ zeigt die die Behandlung eines verwundeten Landknechts durch den Feldscher. Die dem besprochenen Buch entnommene Abbildung entstammt ursprünglich: Hans von Gersdorff, Feldbuch der Wundarznei. Nachdruck der Erstausgabe, Straßburg 1517 aus der Leopold-Sophien-Bibliothek Überlingen O6G, Darmstadt 1967, fol. XXXVIIIr.

Für die Genehmigung zur Veröffentlichung im Rahmen dieser Besprechung bedanken wir uns herzlich beim Dr. Ludwig Reichert Verlag in Darmstadt (www.reichert-verlag.de).

Autor: Heiko P. Wacker