Das leuchtende Mittelalter

Jacques Dalarun (Hg.)

Wenn wir heute in französischen Bibliotheken so viele Handschriften des Mittelalters finden, dann hat dies auch etwas mit der Französischen Revolution zu tun. Immerhin basieren viele Bestände der verschiedenen Stadtbibliotheken auf damals konfiszierten Werken: die Bibliotheken von Geistlichen, von Emigranten oder auch widerspenstigen Priestern wurden kurzerhand enteignet und in den “Literaturdepots” der Provinzen gesammelt.

Den Löwenanteil konnte dann ab 1807 die dem „universellen“ Geist verpflichtete Nationalbibliothek an sich bringen – doch blieben erhebliche Bestände vor Ort. Ein unfassbarer Fundus von Farben und Formen, und zugleich der Brunnen, aus dem “Das leuchtende Mittelalter” schöpft.

Dabei geht es den Autoren nicht nur um eine hübsche Versammlung faszinierender Abbildungen, sondern um die möglichst weit in die Tiefe gehende Darstellung des mittelalterlichen Lebens, das sich in den rund 350 Illustrationen spiegelt. Diese wurden aus den Bibliotheken ganz Frankreichs zusammengetragen – die meisten wurden noch nie zuvor publiziert – und unter thematischen Gesichtspunkten ausgewertet.

Ob nun die Tierwelt, die Insignien der Macht, Wissen und Bildung, religiöse Vorstellungen oder die Alltagsgeschäfte der Menschen jener Zeit – es gibt kaum einen Bereich der Lebenswirklichkeit, der sich nicht in einer bildlichen Darstellung finden würde. Immer wieder erstaunlich ist hierbei die Detailliebe, mit der die Künstler selbst so alltägliche Dinge wie das Schmieden eines Hufeisens darstellen oder die Förderung von Silbererz in den Vogesen in der Zeit um 1504.

Für den Leser erschlossen werden die Darstellungen durch die beigegebenen Texte: Ausführliche Kapitel vereinen sich zu einem faszinierenden Bild des Mittelalters. Die Autoren – allesamt renommierte Mediävisten – liefern jedoch nicht nur ein paar nette Informationen, sondern auch noch detaillierte Bildlegenden, was dazu führt, dass man das Buch länger, viiiiel länger in der Hand hat, als geplant. Immerhin liegt mit dem nur 25 Euro kostenden Prachtband ein hoch informatives Werk vor, das auf mehr als 300 Seiten die Welt der mittelalterlichen Menschen lebendig werden lässt. Da kann man sich schon mal beim Lesen verlieren …

Jacques Dalarun (Hrsg.): Das leuchtende Mittelalter. Aus dem Französischen übersetzt von Birgit Lamerz-Beckschäfer. Theiss Verlag – WBG Darmstadt 2017, 304 Seiten mit 360 farbigen Abbildungen, gebunden, ISBN 978-3-8062-3486-2, 24,95 Euro.

Autor: Heiko P. Wacker