Le Puy-en-Velay

Fête du Roi de l'Oiseau

16. September - 19. September 2009

Landsknechte marschieren durch Le Puy

Die letzte große Ausfahrt des Jahres führte uns einmal mehr zum „Fest des Vogelkönigs“ in die atemberaubende vom Vulkanismus geprägte Landschaft der südöstlichen Auvergne – nach Le Puy. Wer zum ersten Mal zu diesem wichtigen Ausgangspunkt des Jakobswegs kommt, glaubt es kaum: Auf jedem Vulkankegel, auf jeder Anhöhe, auf jeder Basaltnadel steht spektakulär entweder eine Kapelle, eine überdimensionale Heiligenfigur, eine Kathedrale oder – wenn der Platz ausreicht – ein ganzes Chateau. Von diesen Naturschönheiten gabs allerdings am Mittwoch, dem Anfahrtstag des Vorkommandos rein gar nichts zu sehen, alles war unter tiefhängenden Wolken verborgen. Zunächst waren wir, der Hauptmann Peter und der Schreiberling froh, dass wir mit dem Sprinter durch das Gassengewühl bis an unseren Lagerplatz, einem kleinen, asphaltierten Parkplatz, vordringen konnten. Mit Hilfe privat angereister Landsknechte (Ulli und Patrick) und unter starkem punktuellem Einsatz von Kamerad „Hilti“ bauten wir dann bis abends unser Lager so weit auf, dass wir das ganze Geraffel trocken unterbringen konnten. Nach dem wie immer vorzüglichen Gemeinschaftsabendessen im „Centre Pierre Cardinal“ – zuständig ebenfalls wie immer der uns altbekannte „Jolli Papa“ – trafen dann auch schon unsere Damen, Anneka und Marion ein, mit denen wir nach kurzer Begrüßungsrunde bei den französischen Freunden den Tag bei ein paar Bierchen ausklingen ließen.

Am Donnerstag wurden wir bereits durch die Fenster in unserem Komfort-Domizil „Grand Séminaire“ von der Sonne wachgeküsst. Der Tag stand ganz im Zeichen des Ausbaus und Ausschmückens des Lagers. Und am Ende waren wir stolz auf uns und die unvermuteten Helfer und Helferinnen, die urplötzlich um die „Ecke gefegt“ kamen. Eineinziges kleines Problem konnte auch gelöst werden. Beim „Verkleiden“ eines unschönen Trafo-Häuschens musste unser Hauptmann dem selbigen aufs Dach steigen. Der Rückweg auf einer Mauer war eine alpine Herausforderung. Dabei entfiel ihm der legendäre Satz, den sich der Chronist nicht verkneifen kann: „Wenn de Arsch mol driwwe isch, isch’s maischte g’schafft“. Bei Wein und anderen guten Sachen, die fast kompletten Eggefeger spielten sich dabei warm, haben wir noch lange das Lager bewacht. Als Betthupferl genossen wir dann noch zu mitternächtlicher Stundeeine musikalische Herausforderung der besonderen Art: Im Jardinhinter dem „Place du Breuil“ begegneten sich Renaissance- und Pop-Musik in einem einmaligen Experiment.

Am Freitag kam dann Leben in unser schmuckes Lager. Unzählige Schulklassen defilierten an ihrem „Mittelalter-Tag“ wissbegierig an uns vorbei, ein Spass für alle. Dann kam der Bus an. Die auf der nächtlichen Fahrt eingerosteten Glieder wurden auf einem Fußmarsch mit Waffentransport quer durch die Altstadt wieder in Schwung gebracht. Schnell war Quartier im codewortgeschützten „Séminaire“ bezogen und endlich machte sich Lagerleben breit. Erst wenn das Feuer brennt und die Rauchschwaden in den Augen beißen, kann der Landsknecht so richtig schwadronieren und sich unterm schützenden Sonnensegel auf kommende Einsätze vorbereiten. Und so dauerte es auch nicht mehr lange, bis der Hauptmann zu einer ersten Patrouille durch die basaltgepflasterten Gassen der Altstadt rund um die Kathedrale rief. Und da war er wieder, dieser kleine schmerzhafte Zug in den kurzen Waden, auf den der erfahrene Le Puy-Pilger mindestens ein ganzes Jahr hatte verzichten müssen, der sich in den kommenden Tagen noch steigern würde, um sogar als kleine Erinnerung mitgenommen zu werden. Der Hauptmann belohnte die erste Mühe des Tages mit einer Runde kühlfrischen Verveine-Bieres, was natürlich wohlwollend von den Knechten aufgenommen wurde. Nach dem wiederum sehr guten Abendessen waren dann mehr oder weniger kleine Spähtrupps auf eigene Faust unterwegs, um einfach in dieses kaum zu beschreibende nächtliche Festtreiben am Fuße der Kathedrale einzutauchen. Was es da an skurilen Wesen und Geschöpfen, Artisten und Musikern auf den Plätzen und Gassen zwischen den Lagern der mitwirkenden Gruppen zu erleben gibt, muss man einfach gesehen haben. Dabei darf niemals das eigentliche Ziel des Abends vergessen werden: Wo gibt es den besten Hypocras der Stadt? Und das lässt sich schwerlich nach den ersten beiden beurteilen. Dazwischen immer wieder Rückzug in unser Lager mit seiner jetzt vom Feuerschein und der mitreissenden Musik der Eggefeger geprägten Stimmung.

Schon früh am Samstag hieß es Einkaufen auf dem gut bestückten Bauernmarkt auf der „Place du Plot“. Die Siggi und der Günther ließen es sich aus alter Tradition nicht nehmen, uns wenigstens einmal zu bekochen. Und was sollte es in Le-Puy auch anderes geben als die großartigen „Lentille Verte du Puy“ avec „Saitewürschtle“.

Aber vor diesem Hochgenuss lag zunächst noch ein ganzer Tag vor uns. Ab 11.00 Uhr lernten wir die Unter-Stadt auf einer 2. Stadtführung – die 1. fand vor Jahresfrist im Bereich der Kathedrale statt – von ganz anderen Ecken her kennen. Unsere sehr kompetente Führerin, eine gebürtige Heidelbergerin mit Sitz im Stadtparlament, begeisterte uns mit ihren Ausführungen zur Geschichte der Stadt, den Hinterhöfen, der Unterkellerung der gesamten Altstadt inclusive der Straßen, den alten Salzrechten, zu einzelnen markanten Häusern, Kirchen und Plätzen. Auf dem Markt lernten wir dann zum einen, dass hier der eigentliche Ausgangspunkt für den Jakobsweg ist, und zum anderen die Microorganismen der Rinde eines besonderen Kuhmilchkäseskennen.

Voller Detailwissen rüsteten wir uns dann am frühen Nachmittag für die große „Schlacht ums Rathaus“. Unsere Rolle bei diesem von vielen Zuschauern beobachtetem Spektakel war es, das historische Gebäude und die Regierung vor angreifenden Einheiten meuternder Söldnertruppen zu verteidigen.

Obwohl das Ende nicht ganz einfach zu auszumachen war, glaube ich,dass wir gewonnen haben! Auf jeden Fall wurden in der allgemeinen Beurteilung sowohl unser geschlossener Auftritt, die authentische Ausrüstung und Gewandung als auch unsere Standhaftigkeit gelobt. Der weitere Nachmittag diente dann der Regeneration von den Anstrengungen der Schlacht mit eingestreuten Patrouillen-Gängen. Dabei gab es manche kulinarische Entdeckung zu machen z.B. die einer kleinen, sehr einladenden Restauration, die frische Meeresfrüchte anbot. So kam es, dass der Chronist und seine persönliche Marketenderin zum Entrée des Abendesssens frische Austern und fruchtigen Weißwein schlürften und danach tout de suite ins Lager zu Siggis traumhaften Linsen eilten. Das war das wahre savoir-vivre!

Für die Nachtpatrouille durch die Lager der befreundeten Gruppen wurde dann das gesamte vorhandene kraichgaustämmige Potential genutzt. Zu den Landsknechten und den Schneeballen, die einen gewichtigen Anteil bei der diesjährigen Ausfahrt stellten, wurden neben den wehrhaften Trossweibern kurzerhand sämtliche Eggefeger rekrutiert und in die Truppe integriert, was zu einer gewaltigen Steigerung der Aussenwirkung beitrug. Die heimgesuchten Gruppen – wie Cabus und seine „Mercenaires“ – ergaben sich meist schon nach kurzer Kampfandrohung, ihre Getränkereserven erwiesen sich dabei zunächst noch als widerstandsfähig. Gleich im ersten Lager wurden dann allerdings auch schon vier Eggefegerinnen fahnenflüchtig. Über die Kathedrale – kurz davor mussten wir in ein weiteres Gefecht bestehen – ging es dann nach einem Besuch der „einsamen Bauern“ wieder zurück. Doch heftigster Widerstand bot sich ausgerechnet aus unserem eigenen Lager. Die geflüchteten Eggefegerinnen verteidigten es, martialisch hochgerüstet, gegen alle potentiellen Eindringlinge und wurden ob ihres Einsatzes postwendend rehabilitiert. Noch lange wurden in dieser Nacht die Wunden geleckt und die Tageserlebnisse verarbeitet. Bei den Mercenaires war längst das Bier ausgegangen, aber man wusste: Die Brettener sind noch da!

Am Sonntag war dann Heimreise. À bientot, Le Puy! Merci!

Text: Little

Bilder: Little, Sabine Obhof, Christel